Das Askland - mit Klauen und Fängen für das Rudel
  Vaskur Gerolfson
 

Vaskur Gerolfson

Ich erinnere mich noch wie heute. Die Nacht hatte sich angefühlt wie Pech, und meine Träume waren ähnlich zäh und anhaftend, so dass es einige Momente dauerte, bis mein Verstand wahrnahm, dass es tatsächlich an meine Türe klopfte. Eher aus Reflex erhob ich mich und öffnete die Tür, die Augen noch halb geschlossen. Munterer wurde ich, als ich meinen Bruder Gerolf erkannte, sein Haar zerzaust, nur mit einer Hose bekleidet.

„Jora sagt, ich soll Dich holen, Schwester. Es müsste bald soweit sein.“

Ein Gähnen unterdrückend, schlüpfte ich in Hose und Tunika und stieg in meine Stiefel. Im Hinausgehen nahm ich meine Tasche vom Haken. Wenige Augenblicke später erreichten wir die Tür seines Hauses und schlüpften hinein. Die Dunkelheit draußen war so dicht und samtig wie Geros Fell. Mir machten solche Nächte keine Angst.

Der Schlafraum war mit Kerzen und zwei Öllampen erleuchtet. Für Jora war es nicht das erste Kind, und niemand rechnete mit Schwierigkeiten. Die sollte es auch nicht geben. Wir zählten die Augenblicke zwischen den Wehen, die ordnungsgemäß dichter aufeinanderfolgten. Gerolf verfrachtete dreimal meine beiden Nichten wieder ins Bett. Und während Fregos Auge sich dann schließlich öffnete, schenkte die Frau meines nächst älteren Bruder einem munteren Jungen das Leben. Nachdem ich ihr das Kind auf die Brust gelegt und sie mit Freudentränen in den Augen die kleinen Fingerchen gezählt hatte, holte ich meinen Bruder. Er küsste sie glücklich, bis sie schließlich erschöpft einschlief. Dann umarmten wir uns schweigend.

Das Neugeborene gluckste fröhlich vor sich hin, während wir es wuschen und in eine Decke wickelten. Das Strahlen in den Augen meines Bruders wärmte mein Herz. Ich drückte seine Hand, als ich ihm das Kind in den Arm legte. Ich brauchte ihn nicht zu fragen, um zu wissen, dass seine Gedanken jetzt auch bei dem kleinen Jungen waren, den Ambrus im vorletzten Frühjahr gleich wieder zu sich gerufen hatte. Frego konnte den kleinen Körper auch mit seinen Strahlen nicht mehr erwärmen, es war fürchterlich gewesen. Doch leider hält das Leben auch solches für uns bereit. Diesmal gingen wir leichten Herzens zur Quelle, wir waren sicher, dass es eine gute Livprov werden würde. Bevor wir zum Wald gingen, weckten wir Mutter, die sich gleich darauf erleichtert auf den Weg machte, um sich um Jora und die Kleinen zu kümmern, wenn diese erwachten.

Nach einer knappen Stunde erreichten wir die Quelle, und Gerolf legte sein Kind auf einen abgeflachten Stein, auf dem schon wir selbst und viele unserer Blodvare gelegen hatten, und befreite ihn von der Decke. Dann drückte er ihn fest an seine Brust, und beide wateten wir in die Mitte des Baches. Die Sonne vertrieb die letzten Fetzen der Dämmerung.

Ich sprach klar und laut die traditionellen Worte:

„Frego, der Du unseren Weg erleuchtest und unsere Herzen mit Zuversicht und Mut füllst, schau auf diesen Welpen, und nimm ihn ins Rudel auf. Wasche alles von ihm, was einen Schatten auf sein Leben werfen kann, lass ihn Anteil am Fluss des Blutes haben, der uns alle am Ende in die Alte Welt führen wird, wo uns die, die uns vorangingen, bereits erwarten, und mit denen wir Teil des Ganzen werden. Verleih ihm die Kraft, seinen Weg zu gehen. Und Idu, gib ihm die Weisheit zu erkennen, welches der richtige Weg für ihn ist. Wir hingegen geloben, ihn nach Kräften zu unterstützen und zu fördern. Nimm dieses Kind an!“

Bei den letzten Worten entblößte ich meinen Hals und legte den Kopf weit in den Nacken in Richtung der Sonne. Mein Bruder hielt seinen Sohn mit beiden Händen fest und tauchte ihn ins kühle, sprudelnde Wasser. Das Kind blieb für einen Schreckmoment mucksmäuschenstill, dann fing es an, aus Leibeskräften zu brüllen. Gerolf und ich lachten laut und erleichtert. Er hielt den Jungen hoch und rief: „Ich bin Gerolf Brynjarson, und dies ist Vaskur, mein Sohn!“. Wir stimmten ein lautes Geheul an. Dann rubbelten wir meinen Neffen trocken und packten ihn wieder warm ein. Ausgelassen machten wir uns auf den Rückweg.

Mein Bruder hat einen guten Namen ausgewählt für seinen Jungen. Er gerät nach ihm, und ich würde ihm schon jetzt mein Leben anvertrauen. Ich bin sehr stolz, dass Gerolf mir sein Vertrauen zeigt, indem er ihn mir in die Außenwelt schickt, damit ich mich um einen Teil seiner Ausbildung kümmere. Ich freue mich, ihn nach drei Wintern endlich wiederzusehen. Als ich Svartaskheim verließ, hatte er gerade seine Blodprov absolviert. Zunächst wurde er weiter von den Kämpfern der Familie im Umgang mit Waffen, Spurenlesen und Jagen unterwiesen. Nun sind sie sich einig, dass diese Gelegenheit genutzt werden soll. Vaskur soll als einer der ersten schon vor der Bondprov seinen Horizont in der Außenwelt erweitern. Er wird seine Blodkin sehr stolz machen.

 
   
 
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