Das Askland - mit Klauen und Fängen für das Rudel
  Dankrad Brynjarson
 

Dankrad Brynjarson

Dankrad ist der Sohn des Runmerers Brynjar Einarson und seiner Frau, Sunna Gangolfsdottir. (Großeltern väterlicherseits: Einar Birgerson und Nova Haldorsdottir,

Großeltern mütterlicherseits: Gangolf Svenson und Jette Dankwardsdottir).

 Er hat drei ältere Brüder (Ragnar, Hildebrandt und Gerolf), zwei jüngere Schwestern (Fehild und Runa) sowie eine ältere Schwester, Tyra.

 

Schon früh in meinem Leben war klar, dass das Blut der Götter einen Schleier über meine Existenz legen würde. Da ich bereits in jungen Jahren größeres Talent für die geistigen Tätigkeiten als für das handwerkliche Leben oder den Werdegang eines Kämpfers zeigte, wurde ich zwar in allem (besonders im Umgang mit der Klinge, darauf legte mein Vater, Brynjar Einarson, großen Wert) unterwiesen, lernte jedoch früher als meine Geschwister etwa Lesen und Schreiben und Dinge, die mit dem zu tun haben, was die Alte Welt von der Neuen trennt. Kurz: Ich lernte schon früh die Legenden und Sagen unseres Volkes auf eine Art und Weise, wie sie nur jemand studiert, der eindeutig das Zeug zum Idusken hat. Sehr zur Freude und manchmal auch ein wenig zum Schrecken meiner Eltern, besonders meiner Mutter Sunna, zeigte sich zudem, dass ich kein mundaner Iduske, also nur ein Lehrer und Bewahrer der Legenden und Bräuche, werden würde, sondern ein Runmerer.

 

Dinge passierten, die nicht alltäglich sind. Manchmal las ich aus den Runen Ereignisse, die später wirklich eintrafen, ein Junge aus dem Nachbardorf, der mich verprügeln wollte, war auf einmal für einen Sonnenlauf mit Blindheit geschlagen, als er die Faust gegen mich erhob, oder aber ein Luchs, der andere Kinder angefallen hatte, flüchtete voller Panik vor mir. Unzählige kleine Vorfälle waren es, die bereits vor meinem siebten Lebensjahr (in dem sie einen Höhepunkt erreichten) meinen Vater dazu veranlassten, meine Unterweisung vor dem eigentlichen Eintrittsalter, dem 13. Lebensjahr, selbst in die Hand zu nehmen. Mein Leben war nicht immer einfach, wie jeder weiß, der mit Kindern zu tun hat, und selber irgendwie anders ist als seine Altersgenossen. Besonders meine Schwester Tyra, das wildere und aufgeschlossenere Temperament von uns beiden, war mir sehr oft Trost und Stütze. Und einmal warf sie gar den dicken Gunnar vom Nachbarweiler, der es immer besonders auf mich abgesehen hatte, in einen Teich. Aber das ist eine andere Geschichte…

 

Man könnte also sagen, dass ich bereits als Junge zu einem Mann der Wissenschaften herangebildet wurde, ebenso wie mein Vater, bewandert in den arkanen Künsten und interessiert an der Macht des Wortes. Dennoch wurde ich auch leidlich geschult im Umgang mit Waffen, und scheue mich heute, als Mann, auch nicht, ein Geplänkel mit dem Stahl zu beenden.

Als ich meinen 13. Sommer erreichte, spürte mein Vater, dass der Ruf des Blutes der Götter stärker in mir war als sonst üblich in unsrer Familie. Es passierten wilde und unheimliche Dinge, an die ich selbst nicht gern zurückdenke, und von denen ich ein andres Mal ausführlich berichten werde. Mal sprachen Dinge aus mir, die offenbar aus der Alten Welt kamen, mal fing ein Heuschober neben mir Feuer, als ich mich gerade voller Wut auf einen Gecken stürzte, der in unziemlicher Weise um Tyra gefreit hatte (sein Bart fing übrigens auch Feuer). Es war klar, dass es für Brynjar, unseren Vater, immer schwieriger wurde, meine wachsende Kraft, derer ich selbst nicht Herr war, zu kontrollieren, oder meiner Stimmungsschwankungen Herr zu werden.

Aus dieser Zeit rührt auch mein besonders enges Verhältnis zu meiner Schwester Tyra her. Ich stellte nie ihren Freiheitsdrang in Frage, sie war die einzige außer Vater, die offenkundig niemals Angst vor mir hatte.

 

So kam es, dass gegen Ende meines dreizehnten Sommers, in dem ich meinen Vater besorgt wie nie zuvor erlebte, schließlich Findrun in mein Leben trat. Findrun war ein alter Freund meines Vaters, den ich nur aus sagenumwobenen Geschichten kannte, ein legendärer Runmerer, der angeblich sogar schon die Außenwelt jenseits der Nebelwand besucht, Lindwürmer getötet und Königreiche mit einem einzigen Wort aus seinem Mund zu Fall gebracht hatte.

 

Ein großer Mann, mit silberweißen, langen Haaren und einem struppigen weißen Bart, dessen eines Auge wie Glut funkelte – sein anderes wurde von einer Augenklappe verdeckt, seinen gesamten rechten Arm zierten Narben, die, wie man sagte, aus dem Kampf mit einem Lindwurm herrührten.

Auch wenn ich nie bewusst gegen meinen Vater aufbegehrt hatte, fühlte ich in Findrun meinen tatsächlichen Meister in mein Leben getreten. Diesem alte Recken, dem berühmtesten aller kämpfenden Runmerer, ordneten sich auch meine Kräfte freiwillig unter.

Alles, was ich von meinem Vater gelernt hatte, erschien mir bald durch Findruns Lehren in einem neuen Licht. Auf seinem Gehöft in Skibd, fern meiner Heimat, lehrte er mich, die alten Sagen und Gebräuche besser zu verstehen, den Ruf des Blutes der Götter besser zu erkennen und in meinen eigenen Adern besser zu kontrollieren. Auch lehrte er mich, die Kraft des Blutes, die alle beseelten Wesen miteinander verbindet und auch die toten Dinge, wie Steine und Mineralien, umgibt, mit Hilfe meines Geistes zu lenken und im Sinne des Urrudels zu gebrauchen. „Wenn es erst gegen den Schrecken geht, oder wenn das Rudel schwächer wird und der Schrecken in diese Welt einfällt, wird es Menschen geben, die die Gesellschaft zusammenhalten. Das sind die Idusken. Es wird Menschen geben, die für das Rudel kämpfen. Das sind die Krieger – und damit eigentlich alle Asken, die eine Waffe halten können. Und es wird Menschen geben, die direkt das Blut der Götter in seinem Strom lenken, es aufpeitschen, dem Schrecken mit der Kraft des Geistes und der Reinheit Ihrer Seele Einhalt gebieten. Das sind wir, die Runmerer, die dem Ruf des Blutes folgen, zu denen das Geheul des Urrudels über die anderen Ebenen des Seins durchdringt. Wenn Du kämpfst wie ein Krieger, tanzt wie ein Wolf, heulst wie ein Mondsüchtiger, denkst wie ein Scharfrichter, fühlst wie ein echter Aske und dem Schrecken auch in der schlimmsten Stunde ins Gesicht lachst… dann bist Du auf gutem Wege, dem großen Rudel der wahren Runmerer zu folgen.“ Findrun zeigte ein wölfisches Grinsen, als wir so unter der großen Eibe in einem blutroten Sonnenuntergang saßen, der dem schon herbstlich roten Laub eine noch tiefere Farbe gab. Dann fing er kehlig an zu lachen. Auch ich lachte. Wir lachten lange und glücklich, wenngleich die Hjelper sich ängstlich ins Haus zurückzogen. Nach jener Nacht offenbarte mir Findrun, dass er sich mit meinem Vater einig war: Die Zeit für meine Blodprov war gekommen. Ich hatte es ohnehin gewusst. In der Nacht war ein großer grauer Wolf mit gelben Augen draußen vor dem Fenster meiner Kammer umhergeschlichen. Er hatte mich angeblickt, als ob er mich abholen wollte. Ich war bereit.

 

Am nächsten Morgen ritten wir los. Abends langten wir am Bärenwald an. Findrun gab mir sein altes Kurzschwert, das er immer als Zweitwaffe mit sich führte. „Du wirst selbst entscheiden können, wann Du es brauchst und wann nicht. Gebrauche es weise – und vergieße das Blut Deiner Feinde!“ Dann öffnete er seine Satteltasche mit den magischen Komponenten. Ich wählte Wolfshaar, Funkenstein und Idus Dreizack. Dann ging ich, nachdem wir uns verabschiedet hatten, ohne mich umzudrehen wie mir Findrun geraten hatte, auf den finsteren Forst zu, der wie eine Mauer vor mir aufragte. „Du wirst den Schrecken und die Furcht in Dir selbst unterscheiden lernen. Sei weise und gebrauche Deine Macht nur da, wo es nötig ist. Sonst verursachst Du unnütze Strudel im Blutstrom des Urrudels, das lässt es stellenweise gerinnen und nützt im schlimmsten Fall nur dem Schrecken.“

 

Wie alle Runmerer darf ich mit niemandem außer meinem Meister über das sprechen, was während der Prüfung passierte. Nun ja, was jenseits der normalen Dinge passierte, die jedem jungen Asken in der Wildnis widerfahren können. Feststeht jedenfalls, dass ich nach knapp einer Woche auf der anderen Seite des Bärenwalds mehr tot als lebendig aus dem Unterholz kroch, aus Augen und Ohren blutend, wirr vor mich hin sprechend in einer Sprache, die man in dieser Welt nicht versteht. Findrun hob mich sacht auf, legte seinen Mantel um mich. Später am Abend am Feuer, nachdem er meinen Geist gereinigt hatte, sagte er zu mir: „Du hast alles richtig gemacht, junger Runskoler. Welche Bewegungen des Blutes kannst Du mit Sicherheit beherrschen?“ Ich antwortete leise, aber fest: „Die Fähigkeit, andere zu blenden... und ihre Furcht zu schüren.“ Findrun starrte lange ins Feuer bevor er erwiderte: „Sehr gut. Du bist gegangen und zurückgekommen, was Deiner Familie und mir zur Ehre gereicht. Nun wollen wir allerdings beginnen, an Deinem Schutz zu arbeiten – die Schrecken haben Dir ja übel mitgespielt!.“

 

So lebte ich lange Jahre bei Findrun in Skibd, begleitete ihn als sein Bondmunt auf vielen seiner Reisen im ganzen Askland, sah die großen Büchersammlungen in den Hauptstädten, sah Monstren, die ihr Blut vom Schrecken hatten, erlebte die Gnade, mit ein paar der Svaerulf zu sprechen, und lernte mehr und mehr von meinem Bondvar und denjenigen seiner Standeskollegen, die er davon überzeugen konnte, dass es lohnte, mich in der Runmererei in besonderer Weise zu unterrichten, kennen. Auch las ich alles, was mir in die Quere kam, weshalb mir unsere Reisen in die großen Bibliotheken mit die liebsten waren. Für Meister Findrun Abschriften wichtiger, vielfach auch geheimer Texte in den geistigen Zentren des Runmerertums anzufertigen, empfand ich nicht als Last, sondern als Vergnügen. Während all dieser Zeit zielten fast alle praktischen Übungen darauf ab, meine Kenntnisse in der Kriegskunst und im Fechten soweit es ging zu vervollkommnen und mich zu lehren, das Götter-Blut auch gezielt zur Abwehr tatsächlicher Angriffe einzusetzen. „Es könnte sein, dass Du zu wichtig bist, als dass wir es riskieren dürften, Dich durch einen einfachen Schwertstreich zu verlieren, Dankrad.“ „Was meinst Du damit, Meister Findrun?“ „Das wird die Zeit zeigen.“

Und sie zeigte es.

 

Während einer wichtigen iduskischen Zusammenkunft in Niflgard gab es kurz vor meinem 20. Lebensjahr einen Hinterhalt gerotischer Verschwörer, die offenbar mit Findrun und den Seinen eine Rechnung offen hatten. Wir fochten durch die gesamte Festungsanlage und bis auf den höchsten Turm der Runmerer, der in jener Stadt steht. Als wir oben auf den Zinnen angelangt waren, und ich schon glaubte, mein Schwertarm sei so schwer wie Blei, dass dies das Ende sein müsse, ich bereits mein eigenes Blut auf den zitternden Lippen spürte durch die Anstrengung der ständigen Sprüche und Wirkungen, die ich dem Gegner entgegenbrüllte, stürmten hinter den vor uns letzten fünf Runmerern kämpfenden Gegnern über die Treppe auf einmal gerotische Bogenschützen durch die Tür des Treppenaufgangs. Alle drei, in dunklem Leder, legten auf Findrun an. Vergiftete Pfeile! schoss es mir durch den Kopf. Die Wolken rissen auf, ein Strahl Mondlicht fiel auf meine Brust und ich brüllte die Worte des Schutzes… Die Pfeile zerbrachen in der Luft, so groß war meine Angst um meinen Meister. Wie ich die Worte der Furcht sprach, weiß ich nicht mehr… Ich weiß nur noch, wie ich am Fuße der Treppe kniete, und mein Schwert aus dem Leib eines toten Geroten zog. Solche Ausfälle hatte sonst nur meine Schwester Tyra. Eine Hand auf meiner Schulter veranlasste mich, mich umzudrehen. Immer noch mit leichtem Tunnelblick erkannte ich Findrun, verwundet, aber am Leben. Und schief grinsend.

 

„Ich glaube, es wird Zeit, dass Du in Deine Heimat zurückkehrst und die Menschen an Deinem in den Zirkeln der Runmerer erworbenen Wissen teilhaben lässt, Dankrad, mein Junge!“ Er zog mich auf meine schwankenden Füße. Um uns herum standen noch Gerwin, Tjollmar und Lokwyr, die letzten Getreuen, die mit meinem Meister und mir gekämpft hatten gegen den gerotischen Streich und seine gedungenen Mörder. Alle blickten mich ernst an. Dann sprach Findrun feierlich die Worte, die mir klar machten, dass ich soeben meine Dritte Prüfung bestanden hatte:

 „Beim Blute Idus, hiermit spreche ich Dich los! Möge die Welt keine anderen Grenzen für Dich haben als Deine eigenen- und mögen Dir nie die Fragen ausgehen, mein Bruder im Blute der Götter. Und möge Idus Blut immer wach in Deinen Adern sein“.

Ein wenig verständnislos blickte ich Findrun einige Atemzüge lang an. Dann lachte ich. Diesmal als erster. Findrun, Tjollmar, Gerwin und Lokwyr lachten mit uns, als wir im ganzen Turm die Kehlen der gefallenen Geroten durchschnitten. Das Lachen der Runmerer, wie es nur die lachen können, die dem Schrecken ins Auge geblickt haben und die wissen, dass das Brüten über Schriften nur die Hälfte dessen ist, was jemanden ausmacht, der den alten Bräuchen und dem Ruf des Blutes der Götter folgt.

 

Zuhause erkannten sie ihn erst kaum wieder, bis Tyra angesichts des nach Art des jungen Runmerers geschorenen Kopfes der über die Hügelkuppe kommenden Gestalt rief: „Aber Vater! Es ist Dankrad!“

Auf Beschluss des Rates der Runmerer löste Dankrad seinen Vater in der Unterweisung der jungen Runskoler ab, damit Brynjar sich auf seine alten Tage ganz der Erforschung der Wege des Blutes widmen konnte.

So führte Dankrad einige Jahre ein ruhiges Leben, nur unterbrochen durch das lästige Auftauchen des einen oder anderen vom Schrecken verwirrten pelzigen Geschöpfes, das aber meist damit endete, dass er und Tyra das Blut der Viecher von ihren Klingen wischten. Drei Sommer war Dankrad sogar mit Fregohild, einem Mädchen aus dem Nachbardorf, im Wort. Tyra schien er fast zu normal und glücklich. Das änderte sich, als Fregohild lungenkrank wurde und Dankrad es im Winter mit der Medizin nicht schnell genug zurück aus der Zwillingsstadt schaffte.

 

Seit ihrem Tod ist Dankrad seltsamer als je zuvor, spricht manchmal außerhalb des Unterrichts seiner Runskoler tagelang mit niemandem ein Wort. Das geht nun schon Jahre so. Selbst Tyra vertraut er sich immer seltener an. Aber ihm entgeht nicht, dass Gerwin Björnson, dieser Geck, zunehmend zum Problem wird, weil der Vater Tyra seinetwegen bedrängt. Als Hakon Halvorson ins Leben von Tyra und Dankrad tritt, gesandt von Findruns Freund Lokwyr, sieht Dankrad genau wie Tyra die Gelegenheit, noch einmal neu anzufangen. Nachdem er mit Niflgard geklärt hat, dass sein Vater eine neue junge Hilfe mit Blick auf die Runskoler bekommt, schließen sich eines schönen Sommermorgens Tyra und Dankrad dem Deggen an…

 
   
 
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